Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman by Kolja Alexander Bonke

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman by Kolja Alexander Bonke

Autor:Kolja Alexander Bonke [Bonke, Kolja Alexander]
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
Herausgeber: Kolja Alexander Bonke
veröffentlicht: 2012-03-11T23:00:00+00:00


8. Vorbereitung

Totenstille liegt über meiner zerstörten Wohnung, irgendwie genieße ich diese Ruhe nach dem Sturm. Nur wenn ich mich bewege knirscht es unter mir.

Es ist nicht vorbei, noch nicht.

♫ „I’m not wasting my life, my life is wasting me”

(Neglect — Dig It)

Statt mein Leben vorschnell zu beenden, werde ich es lieber sinnvoll einsetzen.

Vorher steht allerdings Handarbeit auf dem Programm. Mein linker Unterarm und mein rechter Fuß müssen genäht werden.

Das letzte Nähen am linken Unterarm ist nicht lange her, die Narbe dort ist noch recht frisch. Obwohl es mir vorkommt, als wären seit der nächtlichen Begegnung mit Halil und seinen Leuten Monate vergangen. So viel ist seitdem passiert …

Dieses Mal ist der Schnitt deutlich tiefer als damals. Die Blutung lässt sich heute trotzdem einfacher stoppen, weil ich nicht bis obenhin mit Aspirin vollgestopft bin.

Sich selbst zu nähen hat eine ganz eigene Faszination, ebenso wie sich etwas herauszuschneiden. Nicht nur für Jungs, die als Kind Rambo geliebt haben, der sich bekanntlich ganz gerne Körperteile zusammenflickt oder Wunden mit Schießpulver ausbrennt.

Mein besonderes Verhältnis zu Schmerzen wurde mir spätestens nach einer Sommernacht in Gesellschaft einer nicht unattraktiven Bekannten klar. In einem Schwulenclub wurde damals feucht und fröhlich das Wochenende eingeläutet.

Den Alkohol hatte ich bitter nötig, um Zahnschmerzen zu betäuben. Links unten pochte es, obwohl ich vor wenigen Wochen brav beim Zahnarzt gewesen war. Eine Weile hatte ich diese Schmerzen ignoriert: Es kann nicht sein, was nicht sein darf — schließlich wurde neulich erst gebohrt und mir ein Stück Zahn entfernt.

Die Schmerzen waren allerdings nicht das einzige orale Problem. Seit Tagen hatte ich einen komischen Geschmack im Mund. Irgendwie abgestanden, fast schon faulig, auch nach dem Zähneputzen. Ich bildete mir ein, aus dem Mund zu riechen.

Kurz: Ich stand auf Kriegsfuß mit meiner Fressluke.

Im trauten Zwiegespräch mit meiner Begleitung achtete ich stets darauf, nicht in ihre Richtung auszuatmen oder zu sprechen. Ebenso als wir mit einem schwulen Bekannten auf die Straße gingen, um ein Näschen zu ziehen. Fast hätte ich mit meiner verkrampften Atmung das weiße Gold in alle Himmelsrichtungen geblasen. Koks tat gut, es linderte die Schmerzen mindestens so gut wie Wodka.

Morgens um 8 Uhr war ich es trotzdem leid: Ich beschloss, mich direkt nach dem Clubbesuch in die Obhut meines Zahnarztes zu begeben.

Er begrüßte mich freundlich, setzte sich seinen Mundschutz auf und sagte:

„Machen Se mal ah.“

Ich machte ah, er schaute hinein.

Sein gesamter Oberkörper zuckte zusammen, seine Augen poppten mir entgegen und er wich zurück. Auch die Arzthelferin machte einen Schritt nach hinten.

„Uiuiui.“

Uiuiui?

„Wasn los, Herr Doktor?“

Die „Herr Doktor“-Anrede liebe ich — alte Schule und so schlecht, dass sie schon wieder gut ist.

„Uiuiuiuiuiui.“

Dank Koks und Wodka war ich immer noch ausgezeichnet drauf. Sorgen machte ich mir keine. Mit Zahnärzten und Schmerzen habe ich kein Problem, ich war einfach nur neugierig:

„Was heißt denn uiuiuiuiui?“

„Ich will ehrlich mit Ihnen sein. So etwas habe ich noch nie gesehen. Es war allerhöchste Zeit, dass Sie hergekommen sind. Und ich warne Sie schon mal: Das wird nachher wehtun.“

Ich schaute ihn weiter fragend an.

„Ihr ganzer Kiefer ist vereitert. Das müssen wir röntgen, dann muss die Entzündung raus und dann bekommen Sie Antibiotika.



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